Bеrlin

BERLIN


Berlin ist eine Stadt im Umbruch. Eine Stadt, die nicht immer leicht zu verstehen und oft nicht einfach zu erklären ist.


An kaum einem Ort sind die ge­schichtlichen Ereignisse der letzten Jahre so ablesbar im Stadtbild und im Alltagsleben der Menschen wie in Berlin.


Gestern noch geteiltes Symbol für die Auseinandersetzung der Blöcke, ist Berlin heute die Werk­statt der deutschen Einheit, die kaum einer so schnell für möglich hielt.


Sicher, die Folgen der Teilung sind noch nicht überwunden. Sie sind in der Stadt spürbar, oftmals auch sichtbar.


Aber Berlin hat wieder Perspek­tive. In den nächsten Jahren wird die Bundeshauptstadt auch Sitz von Präsident, Parlament und Regierung werden, wie das der Deutsche Bun­deslag im Juni 1991 beschlossen hat.


Der Wegfall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs, der Europa teilte, hat Berlin wirtschaft­lich wieder interessant gemacht. Bedeutende Firmen siedeln sich in der Stadt neu an oder verstärken ihr Engagement hier.


Viele städtebauliche und archi­tektonische Planungen treten jetzt in ihre Realisierungsphase. Mögen Baustellen im Alltag auch ärgerlich sein: Wir freuen uns über jeden Ort, an dem Neues entsteht und Altes saniert wird.


Berlin ist mit 3,5 Millionen Einwoh­nern die größte Sladt Deutschlands und entwickelt sich wieder zu einer europäischen Metropole. Das viel­seitige kulturelle Leben und die breite Palette wissenschaftlicher Einrichtungen leisten hierzu we­sentliche Beiträge. Auch die Berliner Mentalität, eine Mischung aus Be­harrungsvermögen und Bereitschaft zum Neuen, ist dabei hilfreich.


Berlin ist für europäische Verhält­nisse recht jung, seine Ursprünge liegen am Ende des 12. Jahrhun­derts.


Die Stadt entwickelte sich aus zwei Kaufmannssiedlungen, Berlin und Cölln, zu beiden Seiten der Spree im heutigen Bezirk Mitte. Die ersten ur­kundlichen Erwähnungen dieser Siedlungen sind uns aus den Jahren 1237 (Cölln) und 1244 (Berlin) be­kannt.


Die beiden Städte, günstig am Schnittpunkt mittelalterlicher Han­delsstraßen gelegen, nahmen einen schnellen wirtschaftlichen Aufschwung und vereinigten sich-1307 zu einer Union. Vierhundert Jahre lang entwickelten sie sich in enger Abstimmung parallel, bevor es 1709 zur Gründung einer Einheitsge­meinde Berlin kam, dann unter Ein­schluß der Ende des 17. Jahrhun­derts entstandenen Vorstädte Fried­richswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt.


Die Hohenzollern, seit Anfang des 15. Jahrhunderts das Herrscherge­schlecht in der Mark Brandenburg, bauten Berlin Mitte des 15. Jahrhun­derts zu ihrer Residenzstadt aus.


Der Handelsplatz Berlin, Anfang des 14. Jahrhunderts der Hanse bei­getreten, wurde so auch zur Haupt­stadt.


Ein tiefer Einschnitt für die Entwick­lung Berlins war der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), durch den sich die Bevölkerung auf etwa die Hälfte verminderte. Die in Frankreich ver­folgten Protestanten, die Hugenot­ten, waren daher in Brandenburg sehr willkommen. Ca. 6.000 von ih­nen fanden ab 1685 den Weg nach Berlin und prägten in den folgenden Jahrzehnten die Stadt nicht unerheb­lich.


Unter der Regentschaft Friedrichs II (1740-1786) wurde Preußen zu einer europäischen Großmacht. Mit dem Einfluß des Landes wuchs auch die Bedeutung der Hauptstadt Ber­lin. Der vielseitige und widersprüch­liche König selbst, Philosoph und Feldherr in einem, aber auch Intel­lektuelle wie Moses Mendelssohn, Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Nicolai machten Berlin zu einem Zentrum der Aufklärung in Deutschland.


1806, nach der Niederlage Preußens gegen Frankreich, wurde die preußi­sche Hauptstadt von Napoleon be­setzt. Berlin wurde Mittelpunkt ei­ner patriotischen Bewegung gegen die Fremdherrschaft und damit auch von Bestrebungennach einer gesellschaftlichen Erneuerung Preu­ßens. Heute noch bekannt sind die „Reden an die deutsche Nation" des Philosophen Johann Gottlieb Fichte, der erster gewählter Rektor der 1810 gegründeten Berliner Univer­sität wurde.


Im März 1848 kam es in Berlin wie in weiten Teilen Deutschlands zu einer Revolution des Bürgertums, das entsprechend seiner gewach­senen gesellschaftlichen Bedeutung mehr demokratische Mitbestim­mungsrechte forderte. Den Sieg auf den Barrikaden konnten die Revo­lutionäre allerdings politisch nicht ummünzen. Am Ende des Jahres 1848 hatte der preußische König ge­gen die demokratische Bewegung wieder die Oberhand gewonnen. Die deutsche Einheit, für die die Demokraten gekämpft hatten („Ei­nigkeit und Recht und Freiheit") wurde erst 1871, und dann „von oben" geschaffen.


Mit der Gründung des Deutschen Reiches in Versailles wurden der preußische König Wilhelm I. Kaiser von Deutschland, der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck Reichskanzler und Berlin die Hauptstadt Deutschlands.


Dieser Bedeutungsgewinn sowie die Industrialisierung führten zu einem starken Wachstum der Stadt. 1882 wurde die AEG, bald größter deut­scher Elektrokonzern, gegründet, Siemens wandelte sich von der 1847 gegründeten Telegraphenanstalt zu einer Weltfirma. 1902 wurde (auf der Strecke Warschauer Brücke -Knie, heute Ernst-Reuter-Platz) die von Siemens gebaute erste U-Bahn eröffnet. 1903 transportierte diese Bahn schon 30 Mio. Fahrgäste im Jahr.


1911 wurde in Berlin die Kaiser­wilhelm-Gesellschaft als Dach­organisation einer Reihe von For­schungsinstituten gegründet. Die Kooperation von Wirtschaft, Wis­senschaft und Staat sollte hier orga­nisiert werden, ein „deutsches Ox­ford“ entstehen.


Im Jahre 1920 entstand Berlin in sei­ner heutigen Ausdehnung durch ei­ne „Gebietsreform", die 8 Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke zu „Groß-Berlin" zusammenschloß. Berlin war damit die größte Indu­striestadt des Kontinents, die Zei­tungsstadt Deutschlands (149 Tages­zeitungen erschienen hier) sowie ein geistiges und kulturelles Zentrum von Weltgeltung. Berühmte Archi­tekten wie Walter Gropius, Hans Scharoun, Bruno Taut, Emil Fahren­kamp, Hans Poelzig und Martin Wagner bauten in der Stadt. 1923 erlebte der Rundfunk in Berlin seine deutsche, 1931 das Fernsehen seine Weltpremiere. Wissenschaftler wie Carl Bosch, Albert Einstein und Werner Heisenberg holten Nobel­preise nach Berlin. Maler wie Max Liebermann, George Grosz, Max Beckmann und Lovis Corinth, Schriftsteller wie Bertolt Brecht, Arnold Zweig, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky prägten von Berlin aus eine ganze künstlerische Epoche mit.


Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler von Reichspräsident von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten begann. Das Leben in der Stadt wurde dadurch nachhaltig verändert. Schon unmit­telbar nach der Regierungsübernah­me setzte, wie überall in Deutsch­land, der Terror gegen politisch Andersdenkende ein. Nach vorbe­reiteten „schwarzen Listen" wurden Hunderte verhaftet, vor allem viele Funktionäre der KPD, der SPD und der Gewerkschaften sowie In­tellektuelle.


Die Erniedrigung und Verfolgung der 170.000 Berliner Juden begann ebenfalls sofort nach der Regierungsübernahme und wurde im Laufe der folgenden Jahre immer schlimmer. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckten die Nationalsozialisten auch in Berlin die Synagogen in Brand und demo­lierten Geschäfte, die Juden gehör­ten. Im Oktober 1941 begannen in Berlin die Deportationen in die Ver­nichtungslager, in denen über 60.000 Berliner Juden ermordet wurden.


Am 8. Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg und mit ihm die Schrek-kensherrschaft der Nationalsoziali­sten zu Ende. In Berlin-Karlshorst kapitulierte die Deutsche Wehr­macht. In der Stadt selbst hatten die Kämpfe bereits am Nachmittag des 2. Mai geendet.


Der von Deutschland unter der Dik­tatur der Nationalsozialisten entfes­selte Krieg hatte auch Berlin schwer getroffen. Über 600.000 Wohnungen waren völlig zerstört. Nur 2,8 Mio. Menschen lebten noch in der Rui­nenstadt.


Deutschland wurde von den Sieger­mächten USA, Sowjetunion, Groß­britannien und Frankreich besetzt. Die Einteilung in Besatzungszonen war schon 1944 von den Alliierten vereinbart worden.


Der mit dem Streik der Ost-Berliner Bauarbeiter beginnende Versuch, das Regime der Sozialistischen Ein­heitspartei Deutschlands (SED), die in der DDR diktatorisch herrschte, zu stürzen und damit die deutsche Teilung zu überwinden, scheiterte trotz anfänglicher Erfolge in Ost-Berlin und ca. 250 Städten der DDR im Juni 1953 durch das Eingreifen der sowjetischen Truppen.


In den folgenden Jahren suchten die Bürger der DDR daher verstärkt ei­ne individuelle Befreiung vom poli­tischen und wirtschaftlichen Druck: Sie flüchteten in den Westen, sehr viele von ihnen über West-Berlin, das immer noch einigermaßen frei zugänglich war.


Um dieses „Schlupfloch" zu ver­stopfen, ließ die Führung der DDR im August 1961 mit Billigung der Sowjetunion die Grenzen um West-Berlin durch den Bau der Berliner Mauer schließen. Die Ost-Berliner waren damit - genau wie die übri­gen DDR-Bürger - in ihrem Staat eingesperrt, während die West-Ber­liner, die schon seit 1952 nicht mehr ohne weiteres in die DDR fahren konnten, nun auch aus Ost-Berlin ausgesperrt wurden.


Obwohl die DDR-Führung die Grenzanlagen immer Weiter aus­baute, versuchten bis zum Fall der Mauer viele, dieses Hindernis zu überwinden. Ungefähr 100 Men­schen sind im Zusammenhang mit Fluchtversuchen an der Berliner Mauer ums Leben gekommen, der letzte von ihnen wurde wenige Mo­nate vor der Öffnung der Grenzen erschossen.


Seit dem Mauerbau blieb den Ost-Berlinern kaum noch eine andere Wahl, als sich in ihrem Teil Deutsch­lands einzurichten und das beste­hende politische und ökonomische System hinzunehmen. In West-Ber­lin fühlte man sich durch den Mau­erbau bedroht. Nicht nur, daß die ganz West-Berlin umschließende unmenschliche Grenze die Freizü­gigkeit einschränkte. Es wurde auch befürchtet, daß Sowjetunion und DDR eines Tages versuchen könn­ten, West-Berlin zu vereinnahmen. (Die Öffnung der Archive des DDR-Staatssicherheitsdienstes nach der deutschen Vereinigung zeigte, daß es solche

Planspiele tatsächlich ge­geben hatte.)


Der Besuch Präsident Kennedys im Juni 1963 - bei dem er den berühmt gewordenen Satz „Ich bin ein Berli­ner" sprach - half den West-Berli­nern, trotz östlicher Drohgebärden, Vertrauen in die Zukunft ihrer Stadt zu setzen.


Beide Teile der Stadt hatten gegen­über der anderen Seite auch eine Schau fensterfunktion. Die Ost-Berli­ner profitierten davon, indem sie besser mit Waren und Dienstleistun­gen versorgt wurden als die Bürger der DDR, die eine entsprechende Abneigung gegen die „Hauptstadt" entwickelten. Die West-Berliner konnten auf die politische und finanzielle Solidarität der Bundes­republik bauen, die sich auch in ho­hen Subventionen ausdrückte.


Am 9. November 1989 wurde die Mauer geöffnet.


Mit der Wiedervereinigung begann für Berlin ein langer Prozeß der Normalisierung.


Es besteht kein Zweifel, daß Berlin sich langfristig zu einer der wichtig­sten europäischen Metropolen ent­wickeln und in Deutschland ein Zentrum von Politik, Kultur, Wissenschaft und schließlich auch Wirt­schaft werden wird. Aber die kurz und mittelfristigen Schwierigkeiten auf diesem Wege sind anfänglich, auch von vielen Berlinern selbst, unterschätzt worden.


Ost-Berlin zeigt die gleichen Fol­geschäden einer mehr als vier Jahr­zehnte langen Mißwirtschaft wie die anderen ostdeutschen Bundes­länder: verschlissene Infrastruktur, verfallende Altbauten, schon sanie­rungsbedürftige Plattenbauten, vernachlässigter Umweltschutz, Altenheime, Krankenhäuser oder Universitätsinstitute in oft erbar­mungswürdigem Zustand, Un­kenntnis der „westdeutschen" Rechtsordnung und überhaupt ei­ner rechtsstaatlichen Verwaltung, investitionshemmende Unklarheit über den berechtigten Grundstücks­eigentümer in mehr als 100.000 Fällen, kaum ein Unternehmen, das nach Ausstattung und Markt­kenntnis gegenüber westlicher Kon­kurrenz eine Chance hätte, Nach­holbedarf an fast allem, was eine moderne Großstadt ausmacht.


Auch der westliche Teil bringt eine Erblast in das wiedervereinigte Ber­lin ein.


In der Zeit der Teilung hatte West-Berlin einigermaßen den An­schluß halten können an den west­deutschen Lebensstandard. Die Nachteile aus Insellage, Kapital­flucht und Funktionsverlusten wur­den wenigstens teilweise kompen­siert durch Steuervorteile für Unter­nehmen und Beschäftigte sowie manche „Leistungsvorsprünge" in der Ausgestaltung sozialer und kultureller Einrichtungen. Dies alles aber war nur möglich durch eine Berlin-Hilfe und Berlin-Förderung von zuletzt fast 20 Mrd. DM jähr­lich. Durch eigene Steuereinnah­men konnte West-Berlin seinen Haushalt zu weniger als einem Vier­tel decken. Die Subventionen blie­ben überdies als „süßes Gift" nicht ohne schädliche Folgen für den Un­ternehmungsgeist von Teilen der Berliner Wirtschaft.


West-Berlin hatte ja nicht nur die Hauptstadt-Funktion eingebüßt, auch mit allem, was neben Parla­ment, Ministerien und Behörden daran hängt, also z. B. Botschaften, Parteizentralen, Verbandsgeschäftsstellen und entsprechender Medien­präsenz. In den unsicheren fünf­ziger und sechziger Jahren hatten überdies die Hauptquartiere und Zentralverwaltungen der Wirtschaft die Stadt nahezu völlig verlassen und waren nach Frankfurt, Köln, München, Stuttgart oder Hannover gezogen. Die technologisch zu­kunftsträchtigen Produktionsstand­orte, aber auch die Forschungsab­teilungen und die industrienahen Dienstleistungen vom Software-Unternehmen bis zur Werbeagentur blühten nun in der Nähe der neuen Vorstandssitze. In West-Berlin blie­ben die „Werkbänke", oft auch nur die mit den alten Technologien, die zuerst einer Rezession oder der Rationalisierung zum Opfer fielen.


Das Qualifikationsniveau der Ar­beitnehmer - und damit auch deren Einkommen - blieb statistisch deut­lich hinter dem der industriellen Ballungszentren im Westen zurück. Mitte 1990 hatten über 40 % der West-Berliner Beschäftigten keine abgeschlossene Berufsausbildung. Akademischer Nachwuchs und auf­strebende Führungskräfte standen unter „Abwanderungsdruck", das „große Geld" und zahlungskräftige Spitzenverdiener ließen sich an Rhein und Ruhr, im Taunus, an oberbaeyrischen Seen oder an der Hamburger Elbchaussee nieder, aber kaum noch am Kurfürsten­damm oder in den Villenvierteln des Grunewalds.


Die geschilderten Schwierigkeiten machen deutlich, daß Berlin, das zuvor vom Schicksal der Teilung besonders betroffen war, jetzt als „Werkstatt der deutschen Einheit" die Probleme des Zusammenwach­sens der Deutschen am intensivsten erfährt und besondere Anstrengun­gen unternehmen muß, sie zu überwinden.


Dabei bringt der kommunale Zu­sammenschluß mit West-Berlin und die unmittelbare Nähe westlichen Standards für Ost-Berlin im Ver­gleich zu den meisten Regionen in den neuen Ländern erhebliche Vor­teile. Über 110.000 Ost-Berliner (und weitere 55.000 Brandenburger) ha­ben inzwischen einen Arbeitsplatz im Westteil der Stadt gefunden und werden in der Regel zum dortigen Tarif entlohnt.


Die Verwaltungserfahrung West-Berlins kommt der Gesamtstadt zu­gute und erleichtert den dennoch schwierigen Aufbau der Bezirksver­waltungen, Amtsgerichte, Finanz­ämter und sonstigen Behörden im Ostteil der Stadt.


Eine bedeutende Rolle bei der Ge­staltung der Zukunft spielt natür­lich die Übernahme der Hauptstadt­funktionen in den nächsten Jahren. Der Umzug von Parlament und Re­gierung wird weitgehend „arbeits­platzneutral" vonstatten gehen, 12.000 Arbeitsplätze will der Bund von Bonn nach Berlin verlagern, dafür soll Berlin 7.000 Arbeitsplätze in Bundesbehörden nach Bonn ab­geben und 2.000 in die neuen Bun­desländer. Aber das Signal, das von der Hauptstadtentscheidung aus­geht, erreicht auch andere Institutio­nen und vor allem Unternehmen, die den Standort Berlin jetzt wieder in ihre Überlegungen einbeziehen. Gerade die östlichen Stadtbezirke profitieren von dieser Entwicklung.


Berlin ist die größte Industriestadt zwischen Paris und Moskau mit über 200.000 Arbeitsplätzen im Ver­arbeitenden Gewerbe.


Insgesamt sind über 1,5 Mio. Per­sonen in Berlin erwerbstätig, rund die Hälfte von ihnen im Dienst­leistungsbereich (ohne Handel und Verkehr), und hier vor allem im Sek­tor der staatlichen Dienstleistungen. Knapp 230.000 Menschen arbeiten im Berliner Handwerk.


Das Bruttoinlandsprodukt Berlins betrug 1991120 Mrd. DM (und lag so beispielsweise deutlich über dem der EG-Staaten Portugal, Irland oder Griechenland). Zur Wirtschaftslei­stung der Bundesrepublik Deutsch­land steuerte Berlin damit etwa 4,5% bei. Das entspricht genau seinem Bevölkerungsanteil und dem Anteil der Erwerbstätigen.


Gleichzeitig ist Berlin eine der führenden Kongreßmetropolen der Welt, es liegt bezogen auf die An­zahl internationaler Tagungen auf dem fünften Platz.


Über 400 Firmen kamen seit 1990 neu in die Stadt, alleine 120 davon im ersten Halbjahr 1992. Viele dieser Unternehmen begründeten ihren Sitz im Ostteil Berlins. Oft handelt es sich dabei bislang allerdings um Außenstellen oder Regionaldirektio­nen Ost, durch die noch nicht viele Arbeitsplätze bereitgestellt werden. Aber immerhin gab es Ende 1992 in Berlin rund 180 größere begonnene oder startreife Investitionsvorhaben mit einem Volumen von über 37 Mrd. DM. Dadurch entstehen die Voraussetzungen für ungefähr 130.000 neue Arbeitsplätze, die meisten im Ostteil der Stadt.


Auch bedeutende Firmen wie Daim­ler-Benz und Sony siedeln sich mit spektakulären Bauprojekten in Ber­lin an. IBM Deutschland beschloß im Sommer 1992, seinen offiziellen Firmensitz nach Berlin zu verlegen.


Der positive Trend des Wirt­schaftsstandorts Berlin wird sich in den nächsten Jahren noch dadurch verstärken, daß die Regierungs­funktionen von Bonn in die Bundes­hauptstadt verlegt werden. Es ist davon auszugehen, daß sich in die­sem Zusammenhang auch verstärkt Verbände, Institutionen und Unter­nehmen in Berlin niederlassen. Durch die Veränderungen in Euro­pa, vor allem die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft, wird Berlin außerdem aus der Randlage herauskommen, in der es als östlich­ste Großstadt der EG bislang ist.


Allerdings hat die Stadt gegen­wärtig den Strukturwandel zu be­wältigen, der sich aus den Verände­rungen in Deutschland und Europa ergibt.


Nach den Planungen und politi­schen Erklärungen des Deutschen Bundestages und der Bundesregie­rung ist davon auszugehen, daß Berlin in der zweiten Hälfte der 90er Jahre die Arbeitsstätte dieser Ver­fassungsorgane wird. Dies ent­spricht den Festlegungen des Eini­gungsvertrages sowie dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991.


Bei der Vorbereitung und Durchfüh­rung des Umzugs arbeiten der Bund und das Land Berlin eng zusam­men, wie es im Hauptstadtvertrag, den der Bundeskanzler und der Regierende Bürgermeister von Ber­lin im August 1992 im Berliner Rat­haus unterzeichnet haben, festgelegt ist.


Mittlerweile hat ein „Gemeinsamer Ausschuß Bund-Berlin" seine Arbeit aufgenommen. Er nimmt die Ab­stimmung in allen Hauptstadtange­legenheiten wahr.


Für den Umzug von Bundestag, Bundespräsident und Bundesre­gierung nach Berlin werden viele vorhandene, dem Bund gehörende Gebäude genutzt werden können. Dennoch müssen auch neue Bauten entstehen.


Damit ergibt sich für die Deutschen zum ersten Mal die Chance, ein Par­laments- und Regierungsviertel de­mokratisch zu planen. Dies ist ein Ereignis von nationaler Bedeutung. Entsprechend groß ist die Resonanz in der deutschen Öffentlichkeit.


Ziel der Planungen ist es, die Haupt­stadtfunktionen so zu integrieren, daß Stadt und Politik einander be­fruchten. Keine abgeschlossene Trutzburg soll entstehen, sondern Stadtgebiete mit gemischter Nut­zung, in denen der Bürger sich und seine demokratische Identität wie­derfinden kann. „Demokratie als Bauherr" ist das Stichwort.


Literatur


1. Zollen G. Berlin: Kurze Geschichte. - 1996.


2. Berlin kurzgefasst. - 1993. - Presse- und Informationsamt Berlin.

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